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Lautstärke

Die optimale Lautstärke unterscheidet sich maßgeblich zwischen den einzelnen Bereichen auf der neonatologischen Station. Während die kleinen Patienten eine möglichst ruhige, ungestörte Entwicklungsumgebung brauchen, besteht für die Stationsmitarbeiter und die Eltern die Notwendigkeit, sich mehrfach miteinander und im Team bei Dienstübergabe oder Visite in größerer Runde zu besprechen und auszutauschen. Insbesondere dieser Austausch in der Gruppe erzeugt nachweislich Geräuschpegel, die das für die optimale Entwicklung der Kinder empfohlene Maß deutlich überschreiten und damit als Lärm zu bezeichnen sind.

Lärm = Geräusche, die durch ihre Struktur (meist Lautstärke) auf die Umwelt und den Menschen  störend, belastend oder gesundheitsschädigend wirken. Trotz akustischer Gewöhnung kann Lärm unbewusst weiter auf Körper und Psyche wirken. Lärm kann den biologischen Rhythmus stören (siehe auch Tag-Nacht-Rhythmus) und Schlafstörungen verursachen bzw. fördern.

Auswirkungen auf die Kinder

Frühgeborene reagieren höchst empfindlich auf jegliche Lärmquelle. Zeichen des heftigen Erschreckens sind z.B.:

  • unkoordinierte Bewegungen des Kindes 
  • Verdrehen der Augen, Schreien und Singultus (Schluckauf) 
  • plötzliches Abspreizen von Fingern, Armen und Beinen 

Die akustische Stressbelastung wirkt sich negativ auf den gesamten Organismus des Kindes aus. Herz- und Atemfrequenz erhöhen sich beispielsweise. Die Kinder werden im Schlaf gestört. Die stressbedingte Muskelanspannung verursacht steigenden Sauerstoffbedarf. Diese und weitere negative Reaktionen führen langfristig zu einer Beeinträchtigung und Verzögerung der Entwicklung der Patienten. Zudem besteht die Gefahr einer irreversiblen Hörschädigung durch Lärm, da der kindliche Gehörapparat besonders empfindlich ist. Diese Gefahr potenziert sich bei der Gabe von ototoxischen Medikamenten wie Aminoglykosiden, bei Hyperbilirubinämie, Hypoxämie und Sepsis. Da entsprechende Therapien, Komplikationen und Begleiterkrankungen bei kranken Neu- und Frühgeborenen keine Seltenheit sind, sollte diese Gefahr der irreversiblen Schädigung des kindlichen Gehörs nicht unterschätzt werden. 

Aufgrund der genannten Belastungen ist es ein zentrales Anliegen, die Kinder möglichst ungestört auf der Station unterbringen zu können. Das ist nach entsprechenden Studienergebnissen vor allem in großen Versorgungseinheiten schwierig, da die Lärmbelastungen, die sich allein aus der Summe der im Raum anwesenden Personen (Pflegeteam, Ärzteteam, Eltern) und Geräte mit Alarmfunktion ergeben, hier besonders hoch sind. Insbesondere im Zugangsbereich dieser Großräume positionierte Versorgungsplätze sind exponiert, da es zu verstärktem Durchgangsverkehr von Mitarbeitern und Besuchern kommt, die diesen Bereich zwangsläufig passieren müssen, um an ihr eigentliches Ziel zu gelangen. Daher sollten idealerweise nicht mehr als ein bis maximal zwei Kinder pro Raum versorgt werden. Allein durch diese bauliche Maßnahme reduziert sich die Anwesenheit von Personen und technischen Geräten deutlich. Das führt zwangsläufig zu mehr Ruhe. Alle im Raum anwesenden Personen befinden sich in akustischer Reichweite, so dass die Notwendigkeit entfällt, sich lautstark über eine größere Distanz miteinander zu verständigen.

Lärmbelastung in dB

Die folgende Tabelle gibt einen kurzen Überblick über die Lärmbelastung typischer Quellen auf der neonatologischen Intensivstation:

Schallpegel in ruhiger Wohnung

40 dB

Normale Gespräche

50-60 dB

Laute Gespräche, rufen

80 dB

Konversation von 4 Personen (bspw. Visite)

74 dB

 Beatmungsgeräte

65-90 dB

 Vernebler

50-70 dB

 Motor des Inkubator

50-73 dB

 Öffnen der Inkubatortür

95 dB

 Schließen der Inkubatortür

110-125 dB

 Abstellen von Glasflaschen auf dem Inkubator

95-115 dB

Aufreißen von steril verpacktem Zubehör

86 dB

 Öffnen eines Pappkartons

79,5 dB 

Empfohlene Vorgaben

In Deutschland wird im Arbeitsrecht im § 15 der Arbeitsstättenverordnung ein maximaler Schallpegel von 55 dB auf Intensivpflegestationen gefordert, diese Geräuschbelastung entspricht der maximal erlaubten Geräuschbelastung für Arbeitsplätze mit vorwiegend geistiger Tätigkeit.

Wesentlich strenger sind die Empfehlungen in den USA: Eine Richtlinie der US Environmental Protection Agency gibt maximale Schalldruckpegel von 45 dB tagsüber bzw. 35 dB nachts für Intensivstationen vor, eine weitere Empfehlung des International Noise Councils schlägt 45 dB tagsüber, 40 dB am Abend und sogar nur 20 dB während der Nacht vor.

Vorgaben für neonatologische Intensivstationen (Recommended Standards for Newborn ICU Design 1996) erachten einen Durchschnittspegel von 50 dB und einen Spitzenpegel von 70 dB als akzeptabel. 

Die AAP (American academy of pediatrics) empfiehlt im Bereich der kleinen Patienten eine Lautstärke von 45-50 dB tagsüber nicht zu überschreiten, nachts sollte der Lärmpegel hier möglichst noch geringer sein. In der angrenzenden Umgebung liegt die Vorgabe für den maximalen Lärmpegel bei insgesamt 50-55 dB.

Sensibilisierung

In vielen Fällen sind sich die anwesenden Personen auf Station der tatsächlich verursachten Dezibelstärke überhaupt nicht bewusst. Die Entwicklung eines Bewusstseins für dieses Thema und eine Sensibilisierung aller Beteiligten erscheint daher sinnvoll. Der Einsatz einer sogenannten Lärmampel ist geeignet, Besucher und Personal entsprechend zu sensibilisieren. Das macht allerdings nur Sinn, wenn die empfohlenen Lärmgrenzen auch tatsächlich eingestellt werden. Andernfalls suggeriert die Lärmampel Ruhe in Bereichen, wo es eigentlich schon viel zu laut ist.

Bauliche Maßnahmen

In der frühen Planung ist auf die optimale Reduzierung von Umgebungslärm zu achten. Dies bezieht sich auf organisa­torische Abläufe und die aktive sowie passive Lärmreduktion. Zur passiven Geräuschminimierung werden die Verwen­dung schallabsorbierender Materialien für Wand- und Decken­verklei­dungen (z.B. Sound Delphins) sowie geräuschhemmende Fußboden­materialien empfohlen.

Räumlichkeiten für besonders kranke Kinder sollten unter Lärmschutzaspekten möglichst im hinteren Bereich der Station eingeplant werden, denn das minimiert die Zahl der potenziellen Störungen. Für stabilere Kinder können Räumlichkeiten in der Nähe des  Ein-/Ausgangsbereich der Station vorgesehen werden.

Durch die Positionierung der internen Ver- und Entsorgungseinheiten an der Schnittstelle zwischen Stationsflur und Patientenzimmer besteht die Möglichkeit, den Personenverkehr im Patientenbereich zu minimieren. Durchgängig eingebaute Wandschränke, die sowohl von der Flur- als auch von Innenseite des Patientenzimmers geöffnet werden können, machen es überflüssig, den Raum bspw. zum Auffüllen von Versorgungsmaterial (Einwegspritzen, Verbandsmaterial, Pflegeartikel, Handtücher, Laken usw.) zu betreten. 

Auf diesem Weg können zudem Müll und dreckige Wäsche aus den Patientenzimmern störungsfrei entsorgt werden. Damit bleibt die Privatsphäre der kleinen Patienten und ihrer Familien gewahrt. Das flurseitige Auffüllen von Verbrauchsmaterialen stellt zudem das sog. FIFO-Verfahren (first in-first out) bei der Entnahme der Materialen im Patientenzimmer sicher.

Einfache Maßnahmen

  • Türen zu den Patientenzimmern regelhaft geschlossen halten 
  • Keine Besprechungen im Patientenzimmer 
  • Einsatz von Schubladendämpfern
  • Dämpfen von Tretmülleimerdeckeln 
  • Regelmäßige Kontrolle des Lärmpegels im Inkubator
  • Regelmäßige Aufzeichnung und Auswertung des Lautstärke auf der Station (Monitoring)
  • Sensibilisierung von Team und Eltern
  • Feueralarme auf Lichtzeichen umstellen
  • Zutrittsbereich für Eltern umrüsten auf Vibration statt akustisch hörbarer Türklingel 
  • Empfänger wird von für den Eingangsbereich zuständigen Mitarbeitern am Körper getragen

 

Literatur

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